Aktuelles zur biologischen Wirkung hochfrequenter Strahlung

Dipl.-Ing. Rainer Elschenbroich, Böblingen
[Oktober 1998]

Die zunehmende Verbreitung von Mobilfunkhandies löst immer wieder Diskussionen um eventuelle gesundheitliche Risiken für deren Benutzer aus. Über 10000 Studien haben sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Wirkungen nieder- und hochfrequenter Felder befasst. Dieser Beitrag soll einen aktuellen Überblick über biologische Effekte hochfrequenter elektromagnetischer Felder geben.

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Thermische Wirkungen

Dass Funkwellen auch Wärme erzeugen, ist schon lange bekannt. Dieser Effekt wird auch in der Medizin zur lokalen Erwärmung von Körpergewebe genutzt. Hierbei wird Strahlungsenergie in Wärmeenergie umgewandelt, was besonders gut bei Wassermolekülen funktioniert.

Problematisch ist hierbei, dass die thermisch sensible Haut zu trocken ist, um sich spürbar aufzuwärmen, während z.B. das wasserreiche Muskelgewebe sich besonders gut erwärmt - was dann nicht rechtzeitig wahrgenommen wird.

Die aufgenommene Wärmemenge wird als spezifische Absorptionsrate (SAR) auf die Körpermasse bezogen. So erzeugt der Körper in Ruhe eine Wärmeleistung von 1 Watt pro Kilogramm Körpergewicht (W/kg). Bei 4 W/kg ergibt sich eine Erwärmung um 1 Grad Celcius. Für die allgemeine Bevölkerung ist eine Wärmezufuhr von maximal 0.08 W/kg zulässig (Ganzkörpererwärmung), bei der Teilkörpererwärmung liegt die Grenze bei 0.4 W/kg. Da die Erwärmung stark lokal begrenzt ist, wurden hier andere Grenzwerte angesetzt. Bei Mobilfunkhandies wird ein großer Teil der Sendeleistung im Kopf in Wärme umgewandelt - der lokale Grenzwert wird bei Handies älterer Bauart oft sogar überschritten, da hier bis zu 60 % der Sendeleistung im Kopf absorbiert wird. Besonders das Auge muss geschützt werden, da es wegen seiner geringen Durchblutung die Wärme schlecht abführen kann [1].

 

Athermische Wirkungen

Neben der Wärmeentwicklung durch elektromagnetische Felder müssen jedoch auch nichtthermische Effekte berücksichtigt werden. In zahlreichen Studien wurden bislang Einflüsse auf viele Phänomene untersucht, wie z.B. Enzymaktivität, Veränderungen der Zellmembranen, Zellwachstum und -teilungsvorgänge, Tag/Nacht-Rhythmus, Tumoren und Hirnaktivität.

 

Beeinflussung der menschlichen Gehirntätigkeit

Dr. Lebrecht von Klitzing hat in einer Reihe von Publikationen über mögliche Einflüsse von gepulsten hochfrequenten Feldern auf das Elektroenzephalogramm (EEG; Hirnstromkurve) berichtet [2]. Seine Experimente konnten jedoch bis dato nur von sehr wenigen anderen Wissenschaftlern nachvollzogen werden [3]. Die dokumentierten Versuchsergebnisse erwecken vielmehr den Verdacht, dass die Änderungen im EEG teilweise durch mangelhaft kontrollierte Vigilanzänderungen (Wegdämmern oder Einschlafen des Probanden) verursacht sein könnten [4].

Deshalb wurde in einer Studie an der Neurologischen Universitätsklinik Bochum erneut der Einfluss elektromagnetischer Felder auf die Hirntätigkeit untersucht; allerdings mit deutlich höheren Feldstärken als bei den Klitzing-Versuchen (ca. 40 V/m). Weder die Analyse des Wachzustands-EEGs noch die Auswertung einer neuropsychologischen Testreihe ergaben eine signifikante Änderung der Gehirnleistung [5].

Dies bestätigt die Ergebnisse einer anderen Studie [6]; deren Autoren konnten jedoch schon früher einen Einfluss der Bestrahlung auf die REM-Phasen (rapid eye movement; Zustand während der Traumphasen) im Schlaf beobachten [7]. Die REM-Phasen haben eine Bedeutung für die Informationsverarbeitung im Hirn.

 

Wirkungen auf die intrazelluläre Kalziumkonzentration

In vielen Studien wurde bereits eine Wirkung von periodisch amplitudenmodulierter Strahlung auf den Kalziumionenaustritt aus Zellkulturen festgestellt [8]. Dieser Effekt trat bei einer Trägerfrequenz von 150 MHz vor allem bei niedrigen Modulationsfrequenzen (6 bis 20 Hz) auf. Eine Studie an der Universität Bonn führte entsprechende Versuche in den Mobilfunkfrequenzbereichen 900 und 1800 MHz mit entsprechender Modulation (217 Hz gepulst) durch [1]. Bei 900 MHz wurden keine Auffälligkeiten beobachtet, bei 1800 MHz wurde eine Verschiebung registriert. Diese war jedoch statistisch nicht signifikant und lässt somit letztendlich keine gesicherte Aussage zu.

 

Wirkungen auf die Enzymaktivität

Elektromagnetische Felder im Frequenzbereich um 840 MHz führten bei einer Modulationsfrequenz von 60 Hz und einer SAR von 2.5 W/kg zu einer Verdopplung der Aktivität des Enzyms Ornithin-Decarboxylase (ODC) [9]. Derselbe Effekt zeigte sich auch bei einem rein niederfrequenten 60-Hz-Magnetfeld. ODC spielt eine wichtige Rolle bei der Zellteilung und Tumorpromotion. In einem zweiten Schritt wurde dem HF-Signal zusätzlich ein niederfrequentes Magnetfeld in Form eines Rauschens im Bereich 30...100 Hz überlagert. Dies führte zu einer exponentiellen Abnahme der ODC-Verstärkung als Funktion der Rauschamplitude. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass vor allem die Periodizät des Signals zu dem genannten Effekt führt.

 

Erbgutschädigende Einflüsse

An der Technischen Universität Braunschweig wurden Änderungen der Erbinformation (Genmutationen) von Blutzellen sowie von Krebsgewebe unter dem Einfluss elektromagnetischer Felder untersucht. Die Studie wurde ausschließlich mit menschlichem Spenderblut durchgeführt. Es wurden keine feldbedingten Veränderungen festgestellt [10].

Andere Studien mit Zellen von Mäusen und menschlichem Tumorgewebe waren zum großen Teil ebenfalls ohne Befund, jedoch war eine Zunahme von DNS-Brüchen in Gehirnzellen von Ratten festgestellt worden (2450 MHz, SAR 0.6 bis 1.2 W/kg) [11].

Belgische Wissenschaftler beobachteten ein um 20 bis 25 % statistisch signifikant erhöhtes Vorkommen von Schäden am Erbgut von Blutzellen, nachdem Blutproben erst einem Feld (954 MHz; 1,5 W/kg; Zeitdauer 2 Stunden) ausgesetzt waren und anschließend mit einer mutagenen (erbgutverändernden) Chemikalie behandelt wurden [12]. Bei doppeltem Antennenabstand oder alleiniger Feldexposition ohne anschließende Chemikalienzugabe traten keine Schäden auf.

 

Blutdruckerhöhung durch mobiles Telefonieren

Nach einer Studie der Neurologischen Klinik der Universität Freiburg führten hochfrequente elektromagnetische Felder von Mobiltelefonen zu einer signifikanten Erhöhung des Blutdrucks um 5 bis 10 mmHg [13]. Bei doppeltem Antennenabstand oder alleiniger Feldexposition ohne anschließende Chemikalienzugabe traten keine Schäden auf. Die Ursache war ein verringerter Durchmesser der Blutkapillaren, was ein Hinweis auf eine erhöhte Aktivität des sympathischen Teils des vegetativen Nervensystems darstellt. Für die Untersuchung wurden 900-MHz-Mobilfunkhandies verwendet. Das Handy wurde in typischer Telefonierposition an der rechten Kopfseite fixiert. Die Probanden wussten nicht, ob das Handy sendete oder nicht. Die Testdauer war jeweils 5 mal pro Tag je 35 Minuten an 5 verschiedenen Tagen. Die Test wurden unter körperlicher Belastung wiederholt; hier zeigten sich keinerlei Auffälligkeiten.

 

Gesteigertes Krebsrisiko ?

Eine australische Studie, die von einer dortigen Telefongesellschaft in Auftrag gegeben wurde, zeigt bei genmanipulierten Labormäusen eine doppelt so hohe Tumorhäufigkeit wie bei der Kontrollgruppe, wenn diese mit periodisch gepulsten elektromagnetischen Feldern um 900 MHz (Modulationsfrequenz 217 Hz, SAR-Werte zwischen 0,0078 und 4,2 W/kg) zwei mal täglich jeweils eine halbe Stunde lang befeldet wurden [14]. Die Mäuse waren so genmanipuliert, dass ohne weitere äußere Einflüsse bereits ein hohes Krebsrisiko vorhanden war. In der nicht befeldeten Kontrollgruppe erkrankten 22 % der Tiere an Krebs, in der befeldeten Gruppe waren es 43 %.

Eine englische Studie zeigte eine Verdopplung der Leukämierate in der Umgebung eines Radio- und Fernsehsenders [15]. Eine daraufhin durchgeführte Folgestudie an den Standorten 20 weiterer Sender konnte eine nur extrem geringe bis gar keine Erhöhung der Krebsrate nachweisen [16].

Eine weitere Studie aus Australien bestätigt eine Verdopplung der Leukämierate bei Kindern [17]; die Erfassung beinhaltete das Areal bis zu 4 km um 4 Fernsehsender.

 

Weitere Untersuchungen sind notwendig

Die Widersprüchlichkeit vieler Studien verlangt geradezu nach weiteren Untersuchungen. Die Randbedingungen der einzelnen Studien sind auch oft viel zu unterschiedlich, um diese miteinander vergleichen zu können. Viele Effekte zeigen keine lineare Abhängigkeit zur Feldintensität und ereignen sich nur innerhalb gewisser Amplituden- und Frequenzfenster in starker Abhängigkeit von der Modulation. Selbst wenn sich biologische Wirkungen zumeist auf Zellebene zeigen, kann noch keine Aussage darüber getroffen werden, ob und wie sich dies tatsächlich gesundheitlich auswirkt.

 

Fazit

Es verdichten sich die Hinweise darauf, dass periodisch pulsmodulierte oder periodisch amplitudenmodulierte elektromagnetische Felder unterhalb der gültigen Grenzwerte oder auch Dauerbelastungen durch solche Felder biologische Effekte athermischer Natur auslösen können, wenn auch ihre gesundheitliche Relevanz bislang ungeklärt ist. Man geht davon aus, dass das HF-Signal im Körpergewebe demoduliert wird und die ausgelösten Effekte letzten Endes niederfrequenter Natur sind [18].

Betroffen hiervon wären in erster Linie Basisstationen für den Mobilfunk sowie einige Rundfunksender, die in Amplitudenmodulation senden (Lang- / Mittel- / Kurzwelle).

Die meisten anderen Funkdienste arbeiten mittels Frequenzmodulation oder stellen keine Dauerbelastung dar. Diese stellen sich auch nach aktuellen Erkenntnissen als weitgehend unkritisch dar.

 

Literatur

[1] Brunner : Mobiltelefone - Die biologische Wirkung hochfrequenter Strahlung. Pharmazeutische Zeitung Nr. 27, 143. Jahrgang, 2. Juli 1998

[2] von Klitzing : Athermische biologische Effekte durch gepulste elektromagnetische Felder. Hearing Elektrosmog, Umweltministerium Niedersachsen 1993.

[3] Reiser : Studie zur Untersuchung von Einflüssen elektromagnetischer Felder auf das menschliche EEG - Vergleichsmessung zwischen einem D-Netz-Telefon und dem Therapiegerät "MEGA-WAVE 150/1", in : Elektromagnetische Verträglichkeit, 5. Internationale Fachmesse und Kongress vom 20. bis 22. Februar 1996, S. 949-956, VDE-Verlag 1996.

[4] von Klitzing et al : Zur Untersuchung der EEG-Änderungen durch gepulste HF-Felder. Newsletter Edition Wissenschaft Nr. 9, Forschungsgemeinschaft Funk e.V., S. 3-26, 1996.

[5] Spittler et al : Biologisch-zerebrale Effekte in niederfrequent gepulsten Hochfrequenzfeldern. Newsletter Edition Wissenschaft Nr. 12, Forschungsgemeinschaft Funk e.V., S. 3-27, 1996.

[6] EMF-Monitor 2/1997, S. 15; nach : Röschke/Mann in : Bioelectromagnetics Nr. 18, S. 172-176, 1997

[7] EMF-Monitor 2/1997, S. 15; nach : Mann/Röschke in : Neuropsychobiology Nr. 33, S. 41-47, 1996

[8] Bernhardt/Matthes in : Empfehlung der Strahlenschutzkommission vom 4.2.1992; veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 3.2.1992

[9] EMF-Monitor 4/1997, S. 9; nach : Litowitz et al in : Bioelectromagnetics Nr. 18, S. 422-430, 1997

[10] Eberle et al : Zellproliferation, Schwesterchromatidaustausche, Chromosomenaberrationen, Mikrokerne und Mutationsrate des HG-PRT-Locus nach Einwirkung von elektromagnetischen Hochfrequenzfeldern auf humane Lymphozyten. Newsletter Edition Wissenschaft Nr. 4, Forschungsgemeinschaft Funk e.V., S. 5-14, 1996.

[11] EMF-Monitor 1/1998, S. 16

[12] EMF-Monitor 1/1997, S. 12; nach : Maes/Verschaeve in : Environmental and Molecular Mutagenesis Nr. 28, S. 26-30, 1996

[13] Strahlentelex Nr. 276-277, S. 8, Juli 1998

[14] Repacholi et al : Lymphomas in Eµ-Pim1 Transgenic Mice exposed to pulsed 900 MHz electromagnetic fields. Radiation Research Nr. 147, S. 631-640, 1997

[15] Strahlentelex Nr. 246-247, S. 5-6, April 1997; nach : Dolk et al : Cancer incidence near radio and television transmitters in Great Britain. I. Sutton Coldfield transmitter. Am. J. Epidemiol. Nr. 145, S. 1-9, 1997

[16] Strahlentelex Nr. 246-247, S. 5-6, April 1997; nach : Dolk et al : Cancer incidence near radio and television transmitters in Great Britain. II. All high power transmitters. Am. J. Epidemiol. Nr. 145, S. 10-17, 1997

[17] Strahlentelex Nr. 246-247, S. 5-6, April 1997; nach : Hocking et al : Cancer incidence and mortality and proximity to TV towers. Med. J. Austr. Nr. 165, S. 601-605, 1996

[18] Elschenbroich : Biologische Wirkungen von elektromagnetischen Feldern und Wellen; Teil 1: cq-DL 9/1996 S. 716-718 und Teil 2 : cq-DL 10/1996 S. 792-797

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